Stephan Lebert, Louis Lewitan: Der blinde Fleck


Ich habe mich relativ intensiv mit dem Thema Zweiter Weltkrieg auseinandergesetzt. Wie relativ viele meiner Generation wurde das Thema in der Schule gleich mehrfach bis zum Abitur im Geschichtsunterricht behandelt - und das auch verbunden mit Besuchen etwa in Buchenwald oder im Jüdischen Museum in Berlin. In meiner Familie war die Kriegszeit an sich kaum ein Thema. Oma und Opa auf der einen Seite waren 1945 erst 14 und 16. Die beiden anderen waren aber schon verheiratet, hatten schon ein Kind, der als Säugling mit der Oma vertrieben wurde und Opa war in Polen in Kriegsgefangenschaft - mehr war bei uns aber bis zu deren Tod nie ein Thema.

Aber warum ist das eigentlich so? Und welchen Einfluss nimmt das Ganze auf mein eigenes Leben? Genau dieses Thema behandelt der Journalist Stephan Lebert gemeinsam mit dem Psychologen Louis Lewitan.



Der blinde Fleck


Daten

Autoren: Stephan Lebert, Louis Lewitan
Verlag: Heyne
ISBN: 9783453218697 
Preis: 24€
Gebundene Ausgabe, 304 Seiten



Inhalt

Als der Krieg 1945 zu Ende war, erfüllte dies das Deutsche Volk nicht nur mit Erleichterung. Nicht wenige Menschen waren traumatisierte - und das nicht nur die Soldaten, die unmittelbar an Kampfhandlungen beteiligt waren, sondern auch die Bevölkerung, die "Mitläufer", die mehr und mehr mit den Taten dieser Zeit konfrontiert wurden.

Und dieses schwere Trauma wurde weitergegeben. Über die Taten wurde geschwiegen, es wurde verdrängt, geschwiegen und Geheimnisse bewahrt.

Was bedeutet das für Familien, wenn solche Traumata über mittlerweile mehr als 8 Jahrzehnte verdrängt werden? 

Genau an diesem Thema bearbeiten ein Journalist und ein Psychologe.

Fazit

Meine Generation gehört zu den letzten, die unmittelbar mit den Zeitzeugen reden können. Und umso wichtiger ist es, dass wir diese Erinnerung bewahren. Ich habe damals große Impulse aus der Schule bekommen - etwa einen Besuch in Buchenwald und natürlich mit den dazu gehörenden Gesprächen, aber auch Dokumentationen im Fernsehen.

In meiner Familie war das Thema "Vertreibung" sicher prägend - meine heute 95 Jahre alte Oma hat heute ein Bild ihres Elternhauses in der Küche hängen. Meine andere Großmutter, die schon vor gut 15 Jahren verstorben ist, war nie dazu in der Lage, ihre alte Heimat zu besuchen, geschweige denn darüber zu reden. Und genau dieses Trauma hat meine Eltern und damit auch mich geprägt. Ich bin bis heute jemand, der relativ stark auf Orte wie etwa Gedenkstätten reagiere.

Die Generation meiner Großeltern trägt mit Sicherheit die Verantwortung für viele der Geschehnisse damals - wir tragen heute keine Schuld daran. Aber gerade die Auseinandersetzung mit dem Thema ist die Grundlage dessen, dass das nicht wieder zugelassen wird. 

Es gibt gerade in meinem Alter viele, die sich mit der Familiengeschichte beschäftigen - und auf schlimmste Taten stoßen. Und gerade die setzen sich umso mehr für eine gescheite Erinnerungskultur ein und wollen diese Traumata auflösen und genau dazu beitragen. Für mich ist dieses Buch eine großartige Grundlage dazu, zumal genau diese psychologischen Hintergründe viele Familiengeschichten erklären können...




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